Großelternhaftung (§ 7 UhVorschG, § 33 SGB II)
Neues zum Unterhaltsrecht

Großelternhaftung (§ 7 UhVorschG, § 33 SGB II)

Beistandschaft, JobCenter und Unterhaltsvorschusskasse

Keine gesteigerte Unterhaltspflicht bei leistungsfähigen Großeltern

Keine "gesteigerte" Unterhaltspflicht und deshalb angemessenen Selbstbehalt von derzeit 1.400 € für Eltern minderjähriger Kinder, wenn leistungsfähige Großeltern vorhanden sind.

"Neben der Frage, ob der betreuende Elternteil deutlich mehr als der barunterhaltspflichtige Elternteil verdient, ist auch die Einkommenssituation der Großeltern relevant".

Überschreitet das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht den angemessenen Selbstbehalt von derzeit 1.400 €, scheidet dessen Leistungsfähigkeit aus, soweit die Großeltern über ein den derzeitigen Selbstbehalt von 2.000 € übersteigendes Einkommen verfügen.

Sachverhalt:

Die Unterhaltsvorschusskasse nahm den Kindesvater auf nach § 7 UhVorschG übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 € für seinen minderjährigen Sohn gerichtlich in Anspruch. Das Kind lebte bei der Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 € betrug.

Der Kindesvater war einem weiteren Sohn unterhaltspflichtig und verfügte über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 €. Er zahlte an, monatlichen Unterhalt in Höhe des den seinerzeitigen angemessenen Selbstbehalt (= 1.300 €) übersteigenden 100 €.

Der Antragsgegner berief sich auf § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB und auf das Vorhandensein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter. Seine Eltern, also die Großeltern seines minderjährigen Kindes, verfügten über monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 € bzw. gut 2.200 €.

Er sei deshalb nicht gesteigert unterhaltspflichtig und, weil sein verbleibendes Einkommen nicht den angemessenen Selbstbehalt von seinerzeit 1.300 € übersteige, auch nicht leistungsfähig.

Entscheidung des BGH, 07.10.2021, XII ZB 123/21

Der BGH stellt in der vorgenannten Entscheidung nunmehr klar, dass das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern dazu führt, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt

(vgl. auch OLG Oldenburg, 16.12.2021, 13 UF 85/21 §§ 1603, 1607 BGB: Unterhaltspflicht von Großeltern – erschwerte Rechtsverfolgung gegen einen vorrangigen und an sich leistungsfähigen Verwandten bei Teilzeitbeschäftigung, erhöhter Selbstbehalt bei leistungsfähigen Großeltern, FamRZ 2022, 790).

Dies folge nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspräche auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, so lange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte wie etwa Großeltern vorhanden sind.

An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationenübergreifenden Solidarität einfüge, habe sich bis heute nichts geändert. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stelle dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie gemäß § 1607 Abs. 1 BGB originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen.

Durch dieses Gesetzesverständnis werde das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (derzeit 2.000 € zzgl. der Hälfte des über 2.000 € liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern.

Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UVG) bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich geben auch Praktikabilitätserwägungen keine Veranlassung zu einer abweichenden Gesetzesauslegung. Bereits die Anzahl der Fälle, in denen intensivere Nachforschungen zu den Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind, dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind.

Danach traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100 € hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten.