Corona-Krise – Pfändung von Kurzarbeitergeld wegen Unterhalt
Kurzarbeitergeld

Corona-Krise – Pfändung von Kurzarbeitergeld wegen Unterhalt

Folge der Corona-Krise ist, dass zahlreiche Arbeitgeber Kurzarbeit angemeldet haben. Das hat auch Auswirkungen auf Unterhaltsgläubiger – Beistände, Unterhaltsvorschusskassen und Jobcenter. In dem Beitrag „Corona-Krise-und-Unterhaltspflicht“ wurde bereits darauf eingegangen, dass und wie sich die Corona-Krise auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschulderns auswirkt. Hat der Unterhaltspflichtige den Unterhalt schon vorher nicht aus seinem Einkommen freiwillig geleistet, ist wichtig zu wissen: „Kurzarbeitergeld (KUG) ist pfändbar„.

Das Kurzarbeitergeld (§§ 3 Abs. 4 Nr. 4, 95 ff. SGB III) ist eine besondere Entgeltersatzleistung. Wenn ein erheblicher und vorübergehender Arbeitsausfall vorliegt (§ 96 SGB III), kann der Arbeitgeber dies der Agentur für Arbeit anzeigen (§ 99 SGB III) und erhält einen entsprechenden Anerkennungsbescheid. Kurzarbeitergeld wird für den Arbeitsausfall für eine Dauer von längstens zwölf Monaten von der Agentur für Arbeit geleistet (§ 104 SGB III). Die Höhe des Kurzarbeitergeldes bestimmt sich nach dem Umfang des Arbeitsausfalls und der damit einhergehenden Nettoentgeltdifferenz (§ 106 SGB III) sowie dem maßgeblichen Leistungssatz (§ 105 SGB III).
Der Arbeitgeber hat das  Kurzarbeitergeld kostenlos zu errechnen und an die Beschäftigten auszuzahlen. Die Erstattung des Kurzarbeitergeldes kann der Arbeitgeber innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Maßgabe des  Anerkennungsbescheides bei der Agentur für Arbeit beantragen.

Abzweigungen aus dem Kurzarbeitergeld sind nicht möglich

§ 48 SGB I regelt, dass laufende Geldleistungen grundsätzlich an Ehegatten und Kinder des Berechtigten ausgezahlt werden, wenn dieser seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt. Die Entscheidung nach § 48 SGB I steht allerdings im Ermessen der Sozialbehörde. Gleiches gilt für Zahlungen gegenüber den Unterhaltsvorschusskassen oder Sozialämtern (§ 48 Abs. 1 Satz 4 SGB I). Nach der Sonderregelung in § 108 Abs. 1 SGB III können Abzweigungen aus dem Kurzarbeitergeld allerdings nicht erfolgen. Der Arbeitgeber soll nicht
familienrechtliche Verpflichtungen des Arbeitnehmers überprüfen müssen. Dies bedeutet, dass auf diesen Weg Beistände, Unterhaltsvorschusskasse, Sozialamt oder das Jobcenter nicht auf das Kurzarbeitergeld des Pflichtigen zugreifen können.

Kurzarbeitergeld ist pfändbar

Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Kurzarbeitergeld können im Rahmen der §§ 53 und 54 SGB I gepfändet, verpfändet und übertragen (abgetreten) werden. Näheres regeln die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit, dort Ziff. 12 ff. Verfügung über das KUG. Da das Kurzarbeitergeld durch den Arbeitgeber ausgezahlt wird, gilt der Arbeitgeber für die Zwangsvollstreckung in den Anspruch auf Kurzarbeitergeld als Drittschuldner (§ 108 Abs. 2 SGB III).

Aber: Das Kurzarbeitergeld ist nicht automatisch von der Lohnpfändung umfasst (!)

Der Schuldner erhält vom Arbeitgeber zwei Leistungen: das Kurzarbeitergeld und ggf. das gekürzte Arbeitsentgelt. Das Kurzarbeitergeld wird, obwohl pfändbar und Entgeltersatzleistung, von einer Lohnpfändung nicht erfasst. Bei laufender Lohnpfändung muss der Gläubiger beachten, dass sich die Pfändung des Arbeitsentgelts nicht automatisch auf das Kurzarbeitergeld erstreckt, obschon das Kurzarbeitergeld pfändbar und Entgeltersatzleistung ist. Das Kurzarbeitergeld reduziert insoweit auch nicht den pfandfreien Betrag des Arbeitsentgelts, sondern bleibt vollständig unberücksichtigt, wenn es nicht mitgepfändet wurde.

Neben Lohnpfändung muss das Kurzarbeitergeld "gesondert" gepfändet werden

Der Gläubiger sollte deshalb das Kurzarbeitergeld gesondert im Abschnitt A (an den Arbeitgeber) auflisten (z. B. auf Zahlung des Kurzarbeitergeldes nach den §§ 95 ff. SGB III). Hat der Gläubiger (zunächst) nur das Arbeitseinkommen gepfändet, muss zusätzlich erneut ein weiterer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergehen, mit dem das Kurzarbeitergeld gepfändet wird. Im amtlichen PfÜB-Formular Anspruch muss „A (an Arbeitgeber)“ und nicht Anspruch „B (an Agentur für Arbeit bzw.  Versicherungsträger)“ angekreuzt werden (siehe www.iww.de/ve/vollstreckungspraxis) . 3250.

Antrag auf Zusammenrechnung (§ 850e ZPO) nicht erforderlich, aber zur Klarstellung sinnvoll

Hat der Gläubiger sowohl das Arbeitsentgelt als auch das Kurzarbeitergeld gepfändet, bleibt dem Schuldner nur einmal der vom Gericht im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss festgesetzte pfändungsfreie Betrag.
Ob bei privilegierten Pfändungen nach § 850d ZPO die Vorschriften über die Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen gelten, ist, da der Pfändungsfreibetrag im Beschluss individuell durch das Vollstrecktungsgericht festzusetzen ist, umstritten (vgl. Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht 2013, Kap. 3, Seite 490, Rdnr. 741). Unabhängig davon muss der Gläubiger gemäß § 850e ZPO keine Addition des Kurzarbeitergeldes und ggf. gekürzten Arbeitsentgelts beantragen. Ein Zusammenrechnungsbeschluss dürfte wegen des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kurzarbeitergeld und Arbeitsentgelt entbehrlich sein. Es geht um einen einheitlichen Betrag, der wirtschaftlich an die Stelle des Arbeitsentgeltanspruchs tritt (Vgl. LAG Hamm zum Aufstockungsbetrag zum Transferkurzarbeitergeld zur Sicherung des bisherigen Nettoentgelts, Urteil vom 16.08.2006, 2 Sa 385/06, ZIP 2007, 348= openJur 2011, 44421 = ZVI 2007, 81). § 850e ZPO dürfte eher voraussetzen, dass der Schuldner mehrere Einkünfte von „unterschiedlichen Drittschuldnern“ bezieht. Dies ist jedoch beim Kurzarbeitergeld nicht der Fall. Infolge dessen muss der Arbeitgeber die Leistungen selbstständig addieren und hieraus den pfändbaren Betrag gemäß §§ 850c, 850d ZPO ermitteln, wenn sich der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf beide Forderungen erstreckt. Es spricht allerdings überhaupt nichts dagegen, dass der Gläubiger sicherheitshalber die Addition in seinem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses klarstellend beantragt – so der Praxishinweis unter https://www.iww.de. Ein solcher Antrag ist unschädlich und hat für den Drittschuldner lediglich deklaratorische Bedeutung. Der Drittschuldner kann sich nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht darauf berufen, er hätte nichts von einer Addition gewusst. Insofern können von vornherein Streitigkeiten vermieden werden.

Pfändung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld

Um die für den Arbeitnehmer finanziell nachteiligen Auswirkungen der Kurzarbeit abzumildern, gewähren manche Arbeitgeber einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld. Der Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gehört grundsätzlich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Aufgrund der außergewöhnlichen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt infolge der COVID-19-Pandemie werden vom 01.03.2020 bis 31.12.2020 Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld
entsprechend dem Sozialversicherungsrecht bis 80 % des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt steuerfrei gestellt. Die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes kann auf bis zu 100 % des Netto-Verdienstausfalls erfolgen. Einer Zusammenrechnungsanordnung bezogen auf diesen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld nach § 850e Nr. 2a ZPO bedarf es hierfür nicht (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 16.08.2006, 2 Sa 385/06, ZIP 2007, 348= openJur 2011, 44421 = ZVI 2007, 81). Auch hier spricht nichts dagegen, im amtlichen PfÜB-Formular bei Anspruch „A (an Arbeitgeber)“ den Zuschuss zum Kurzarbeitergeld ebenfalls aufzunehmen.

Hinzuverdienst zum Kurzarbeitergeld

Um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern, hat der Bundesrat dem Sozialschutzpaket II am 15.05.2020 zugestimmt. Es enthält verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten beim Kurzarbeitergeld ab April bis Dezember 2020. Hiernach darf bis zum bisherigen Bruttoeinkommen anrechnungsfrei hinzuverdient werden. Es werden – wenngleich auch nur in wenigen Bereichen – durchaus Aushilfskräfte gesucht – vgl. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/gesucht-erntehelferinnen-und-erntehelfer – ein Aufruf vom 29.03.2020, der sich speziell an Kurzarbeiter richtet. Dort heißt es: „Gezielt angesprochen sind zum Beispiel Personen, die sich Corona-bedingt derzeit in Kurzarbeit befinden, … sowie alle Interessierte, die in den kommenden Wochen mit einer Arbeit in der Landwirtschaft Geld verdienen und sich dabei für die Gesellschaft einsetzen möchten“ Wenn bis zum bisherigen Bruttoeinkommen anrechnungsfrei hinzuverdient werden darf, kann die Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen (§ 850e Abs. 2 ZPO) bei einer Lohnpfändung durchaus relevant werden. Sollte der Sachverhalt so liegen, wird dies im Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei der Festsetzung des pfandfreien Betrages (§ 850d Satz 2 ZPO) zu berücksichtigen sein.